Antibiotika: Diesmal bitte ohne

 

 

„Mein fünfjähriger Sohn hat Ohrenschmerzen und leichtes Fieber. Braucht er Antibiotika?" fragt Sandy K. (35)

Allgemeinarzt Dr. Fritz Meyer, Oettingen
Der seit 1987 niedergelassene Hausarzt ist zugleich Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten. In seiner Praxis setzt er Antibiotika in der Behandlung von Mittelohrentzündungen bei Kindern so zurückhaltend wie möglich ein.

Es antwortet Dr. Fritz Meyer

 

Nein, vermutlich nicht, aber entscheiden kann das nur Ihr Arzt. Wenn die Ursache für die Ohrenschmerzen - und die Vermutung liegt bei einem Fünfjährigen nahe - eine Mittelohrentzündung ist, bieten Antibiotika selten Vorteile. Das haben viele Studien gezeigt.


Schmerzen verschwinden meist schnell
Bei mehr als 80 Prozent der Kinder heilt die Erkrankung von allein aus. Schon nach einem Tag haben acht von zehn keine Schmerzen mehr. Die Dauer des Ohrenstechens verkürzen Antibiotika - wenn überhaupt - nur minimal, Schmerzintensität und Fehlzeiten in Kindergarten oder Schule beeinflussen sie gar nicht. Umgekehrt bleiben dem Kind ohne Antibiotika auf jeden Fall Nebenwirkungen wie Durchfall, Erbrechen oder Hautausschlag erspart.
Bevor der Arzt eine Entscheidung trifft, untersucht er nicht nur das Ohr Ihres Sohnes, sondern beurteilt auch den Gesundheitszustand. Meist ist es möglich, die Entwicklung abzuwarten. Ein leichtes Fieber- und Schmerzmittel, dazu abschwellende Nasentropfen - das reicht zunächst aus. Helfen können Sie Ihrem Sohn, indem Sie den Nasenschleim absaugen und verhindern, dass er sich schnäuzt. Denn dabei werden über einen Verbindungsgang aus dem Rachen weitere Keime in das Mittelohr gedrückt. Hilfreich sind außerdem Nasenspülungen und Kopfdampfbäder. Nachts fällt den Kleinen das Atmen leichter, wenn das Kopfende des Bettes hochgestellt ist.


Verlauf genau beobachten
Erhält ein Kind keine Antibiotika, müssen die Eltern es genau beobachten: Steigt das Fieber? Kommen weitere Symptome hinzu? Wenn sich der Zustand nach zwei Tagen nicht bessert oder gar verschlechtert, sollten Sie wieder zum Arzt gehen. Nun kann es nötig sein, ein Antibiotikum zu verordnen. Denn eine Mittelohrentzündung heilt zwar meist von selbst aus, doch ist sie eine ernste Erkrankung, die - wenn auch nur sehr selten - zu schweren Komplikationen wie Hirnhaut- oder Schädelknochenentzündung führen kann.


Nicht in der Wohnung rauchen
Bei Kindern, die häufiger Mittelohrentzündungen haben, ist daran oft Tabakrauch in der Wohnung schuld. Er macht die Schleimhäute anfälliger für Infektionen. Aber es können auch eine unbekannte Allergie gegen Pollen oder Hausstaub, zu große Gaumenmandeln oder eine vergrößerte Rachenmandel dahinterstecken.
Mittelohrentzündungen vorbeugen? Das geht tatsächlich, indem die Belüftung des Mittelohrs verbessert wird. Wenn Ihr Sohn wieder gesund ist, sollten Sie ihn regelmäßig mit einem speziellen Aufsatz einen Nasenballon aufblasen lassen, während er ein Nasenloch zuhält. Der so erzeugte Druck öffnet den Verbindungsgang zwischen Rachen und Mittelohr. Das Ergebnis: Es wird besser belüftet und ist weniger anfällig für Infektionen.

 

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin; Foto: W&B/Frank Boxler

 

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