Statt Bettruhe: Raus aus den Federn

 


„Stimmt es, dass längere Bettruhe nach Operationen oder bei Krankheiten Gefahren mit sich bringt?" fragt Gerda H. (68)

Allgemeinmediziner Dr. Wolfgang Bahles, Linz im Rheinland
Der seit mehr als 25 Jahren niedergelassene Allgemeinmediziner kümmert sich vorwiegend um ältere Patienten. Hausbesuche und die Betreuung von Menschen in Alten- und Pflegeheimen sind ein wesentlicher Teil seiner Arbeit. „Immer wieder mache ich meinen Patienten und ihren Angehörigen klar, wie wichtig es ist, sich zu bewegen", sagt der Hausarzt. „Meine Hartnäckigkeit zahlt sich meist auch aus."

 

 

Es antwortet: Dr. Wolfgang Bahles 

 

Quer durch alle Fachbereiche der Medizin gilt Bettruhe heute im Gegensatz zu früher als wenig förderlich und sogar schädlich für die Gesundheit und Genesung eines Patienten. Daher ermutigen wir Ärzte kranke, operierte und ältere Menschen immer wieder dazu, möglichst jeden Tag aufzustehen und sich zu bewegen - auch wenn sie das oft sehr anstrengt.
Woher kommt dieser Sinneswandel im Vergleich zu früher, als Bettruhe als wichtige Therapiemaßnahme galt? Heute weiß man, dass die vollständige körperliche Schonung, die ursprünglich zum Kräftesammeln gedacht war, genau das Gegenteil bewirkt: Sie schwächt den Körper, der rasch an Leistungsfähigkeit einbüßt. Schon nach wenigen Tagen im Bett ist der Kreislauf oft so geschwächt, dass dem Patienten beim Aufstehen schwindelig wird oder er gar das Bewusstsein verliert, hinfällt und sich häufig schwer verletzt.

Ebenso leiden die Muskeln: Werden sie nicht benutzt, verlieren sie an Kraft und Umfang. Das kennt jeder, der schon mal einen Gips tragen musste. Bei älteren Menschen büßen die Gelenke zudem rasch an Beweglichkeit ein, wenn sie nicht belastet werden.

In fortgeschrittenem Alter kann übrigens schon eine wenige Tage dauernde Bettruhe erhebliche Folgen haben: Oft verlieren Patienten in dieser kurzen Zeit ihre letzte Selbstständigkeit. Diese wiederzuerlangen ist schwierig - bisweilen gar unmöglich.

 

Blutfluss verlangsamt sich
Neben diesen wenig positiven Folgen birgt Bettruhe sogar lebensbedrohliche Gefahren. Am wichtigsten: Das Risiko für Thrombosen und Embolien steigt. Der Grund: Im Liegen verlangsamt sich der Blutfluss in den Beinvenen, weshalb sich dort leichter Gerinnsel bilden. Vom Blutstrom fortgerissen, können kleinere oder größere Blutklumpen in die Lunge gelangen und dort unter Umständen tödliche Embolien verursachen. Verstärkt wird diese Gefahr durch den Muskelschwund an den Beinen. Denn normalerweise unterstützen die Beinmuskeln den Rückfluss des Bluts zum Herzen.

 

Thrombosen wirksam vorbeugen
Sind die Beinmuskeln jedoch geschwächt, fließt das Blut noch langsamer, und die Gefahr der Gerinnselbildung steigt weiter. Um dieser erhöhten Thrombosegefahr zu begegnen, eignet sich frühzeitige und regelmäßige Bewegung - natürlich ergänzt um weitere Maßnahmen wie das Anlegen von Kompressionsstrümpfen und die Gabe gerinnungshemmender Medikamente. Nicht vergessen werden darf, dass Bettruhe die Gefahr für Infektionen erhöht. Deshalb treten bei bettlägerigen Personen häufiger Lungenentzündungen auf. Die Ursache: Liegende Menschen atmen flacher, sodass nicht alle Bereiche der Lunge ausreichend belüftet werden.

Aber auch hier hilft wieder Bewegung. Ideal ist es, wenn die Betroffenen es schaffen, aufzustehen und umherzugehen. Ist das unmöglich, sollten sie versuchen, die Muskeln durch An- und Entspannen zu aktivieren und sich im Liegen zu bewegen. Dafür eignen sich Übungen für die Zehen oder ein Training mit einem speziellen Bettfahrrad. Bettruhe jedenfalls - da sind sich heute alle Experten einig - hat nur noch ihre Berechtigung bei akuten schweren Erkrankungen, und dann auch nur für kurze Zeit, höchstens ein paar Tage.

 

Mehr über die Folgen der Bettruhe erfahren Sie hier:
 Gefahr von Gerinnseln (Thrombose)
 Lungenentzündungen
 Abnahme des Herzschlagvolumens
 Gesteigerte Herzfrequenz
 Sinkende Leistungsfähigkeit
 Desorientierung, Ängstlichkeit
 Druckgeschwüre der Haut
 Verlust der Muskelkraft
 Brüchige Knochen
 Pflegebedürftigkeit

 

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin Foto: W&B/Rainer Unkel

 

 

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