Thrombosegefahr: Drohender Verschluss


„Meine 73-jährige Mutter liegt seit Tagen mit hohem Fieber im Bett. Besteht für sie eine Thrombosegefahr?"  fragt Heiner H. (52)

 

Hausarzt Dr. Christian Moerchel, Mainz
Seit 25 Jahren ist der Mediziner in Mainz niedergelassen. Dem Hausarzt, der auch im Mainzer Stadtrat sitzt, liegt die Aufklärung über Thrombose schon lange am Herzen. Um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Thema zu lenken, gründete er im März letzten Jahres die „Thrombose Initiative e.V." (Informationen unter: www.thrombose-initiative.de).

Es antwortet: Dr. Christian Moerchel

 

Die Sorge ist berechtigt, aber zum Glück haben Sie die Möglichkeit, vorzubeugen. Seit mehr als 150 Jahren ist bekannt, warum sich Gerinnsel bilden. Damals machte der Berliner Arzt Rudolf Virchow einen verlangsamten Blutfluss, Schäden an den Gefäßwänden sowie Veränderungen der Blutgerinnung als Ursachen aus. Mehr als 90 Prozent aller Gerinnsel bilden sich in den Beinvenen, da dort das Blut verhältnismäßig langsam fließt.

Bei Ihrer Mutter spielen vor allem zwei Umstände eine Rolle: die fiebrige Erkrankung und ihre Bettlägerigkeit. Während die Entzündung die Zusammensetzung des Blutes verändert und die Gerinnungsneigung steigert, verlangsamt sich durch das Liegen der Blutfluss in den Gefäßen. Auch dies erhöht die Gerinnselgefahr. Das tun übrigens auch Gipsverbände, Operationen sowie langes Sitzen bei Reisen in Flugzeug, Bus oder Bahn.

Neben diesen akuten Gefahren gibt es solche von grundsätzlicher Bedeutung. Bei Ihrer Mutter ist dies vor allem das Alter, denn das Thromboserisiko steigt ab dem 60. Lebensjahr an. Das liegt nicht nur daran, dass die Elastizität der Venenwände abnimmt und häufiger Gefäßschäden vorliegen, an denen sich Gerinnsel bilden können. Entscheidend ist, dass das Blut älterer Menschen vermehrt gerinnungsfördernde Eiweiße enthält. In Verbindung mit Flüssigkeitsmangel oder Bettlägerigkeit steigt die Gefahr deutlich. Die Statistik bestätigt das: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent entwickelt eine 80-Jährige nach einer Operation ein Gerinnsel!

Darüber hinaus erhöhen Thromboseerkrankungen in der Familie, die Einnahme der Antibabypille, eine Hormonersatztherapie gegen Wechseljahresbeschwerden, eine Schwangerschaft, Übergewicht, eine stark eingeschränkte Herzleistung sowie angeborene Gerinnungsstörungen die Gefahr.

 

Immer ein Notfall
Wer jedoch meint, eine Thrombose sei immer eine schmerzhafte Angelegenheit, irrt. Rund 50 Prozent der Menschen mit tiefer Beinvenenthrombose bemerken diese nicht. Falls Beschwerden auftreten, kommt es oft zu einem Spannungsgefühl, das Bein schwillt an, und die unter der Haut verlaufenden Venen werden sichtbar. Zudem erwärmt sich die Haut und wird blass oder bläulich. Typisch für eine Venenthrombose ist ein Druckschmerz an der Fußinnenseite und der Wade sowie der Umstand, dass die Beschwerden zurückgehen, wenn das Bein hochgelegt wird.

Wenn Sie diese Symptome bei Ihrer Mutter bemerken, ist Eile geboten. Thrombosen sind immer ein Notfall - nicht nur, weil das Gerinnsel die Durchblutung erheblich beeinträchtigt, sondern weil der frische Blutpfropf sich lösen und vom Blutstrom fortgerissen werden kann. Verlegt er dann in der Lunge ein Gefäß, kommt es zur Lungenembolie. Diese Komplikation kostet jedes Jahr mehr als 30 000 Menschen in Deutschland das Leben.

Schwellung, erhöhte Hauttemperatur sowie Schmerztests geben dem Arzt deutliche Hinweise bei der Diagnosefindung. Typische Veränderungen zeigen sich auch bei der Blutanalyse. Darstellen lässt sich das Gerinnsel oft gut per Ultraschall. Röntgenuntersuchungen mit Kontrastmittel sind heute nur in Ausnahmefällen erforderlich.

Steht die Diagnose, muss die Therapie sofort beginnen - in erster Linie mit Heparin, das entweder unter die Haut oder direkt ins Blut gespritzt wird. Die Substanz senkt die Gerinnungsneigung des Blutes und verhindert, dass der Thrombus weiterwächst. Nach ein paar Tagen wird auf ein Mittel zum Einnehmen umgestellt. Da dieses jedoch mit Verzögerung wirkt, müssen sich Heparinspritzen und die Arzneieinnahme einige Tage überschneiden.

 

Durchblutungsstörung mit Folgen
Hochlagerung des Beins und Kompressionsverbände sind wichtige Zusatzmaßnahmen. Große Thromben, die die Durchblutung des Beins erheblich stören, sollten mit Medikamenten aufgelöst (Thrombolyse) oder in einer Operation entfernt werden. Beides muss rasch geschehen, da das Gerinnsel nach wenigen Tagen fest mit der Gefäßwand verbunden ist.

Zu verhindern gilt es nicht nur eine Lungenembolie, sondern auch das, was Ärzte postthrombotisches Syndrom nennen: Blockiert ein Thrombus den Blutfluss im Bein, kann diese Durchblutungsstörung dazu führen, dass Hautzellen absterben und sich eine Wunde bildet. Solche Geschwüre heilen meist nur schwer ab. Vor allem ältere Thrombosepatienten sind dafür anfällig.

Umso wichtiger ist es, bei Ihrer Mutter Vorbeugemaßnahmen zu ergreifen. Das beginnt bereits damit, dass Sie darauf achten, dass sie genug trinkt und sich - auch wenn es schwerfällt - ein wenig bewegt, um den Blutfluss in den Venen zu verbessern. Ideal wären spezielle Venenübungen wie Zehenspitzengang, Abrollen, Kippen. Hilfreich ist zudem Druck von außen: Kompressionsstrümpfe leiten das Blut aus oberflächlichen Venen in tiefer gelegene, wo der Blutfluss erhöht und so die Bildung weiterer Gerinnsel erschwert wird. Venenstrümpfe, die preisgünstigere Variante, leisten Ähnliches, komprimieren aber nicht ganz so stark.

Abgesehen davon muss das Grundproblem behandelt werden. Das sind bei Ihrer Mutter das Fieber und die Infektion. Beides gilt es in den Griff zu bekommen. Manchmal sind zusätzlich Arzneien nötig. Diese medikamentöse Vorbeugung mit Heparinspritzen ist heute nach Operationen Standard. Sinnvoll ist sie bisweilen auch bei internistischen Erkrankungen. Sprechen Sie Ihren Hausarzt auf das Thromboserisiko Ihrer Mutter an. Er erläutert Ihnen, welche Maßnahmen notwendig und sinnvoll sind.

 

Wie eine Thrombose entsteht, erfahren Sie hier:

 

So entsteht eine Venenthrombose:
Phase 1
 Beschädigte Wände und Wirbel im Blutfluss hinter Venenklappen begünstigen

               die Entstehung kleiner Ablagerungen
Phase 2  Bestimmte Risikofaktoren wie Bettlägerigkeit oder Flüssigkeitsmangel lassen

              das Blutgerinnsel anwachsen
Phase 3 Schließlich verschließt der Pfropf das Blutgefäß vollständig


Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin; Foto:W&B/Markus Kirchgessner

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