Übergewicht: Weg mit dem Kinderspeck

 

„Mein elfjähriger Sohn ist zu dick. Ich selbst bin auch übergewichtig, mein Mann aber nicht. Wie kann ich meinem Kind helfen? " fragt Christiane O. (38)

 

 

Hausarzt Dr. Carsten Gieseking und Ernährungsberaterin Jovanka Gieseking, Müden/Aller
15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen sind zu dick, 6,3 Prozent fettleibig. „Oft ist auch mindestens ein Elternteil übergewichtig", berichtet Dr. Carsten Gieseking. Wenn sich daran etwas ändern soll, muss die ganze Familie an einem Strang ziehen, betont Jovanka Gieseking.

Es antworten Dr. Carsten Gieseking und Jovanka Gieseking

 

Um die Gewichtssituation Ihres Sohnes zum Besseren zu wenden, gibt es nur einen Weg, der dauerhaften Erfolg verspricht: Die gesamte Familie muss ihre Lebensweise auf eine gesündere Basis stellen. Sie alle zusammen müssen hinterfragen, was Sie essen, wie Sie essen und wie viel oder wie wenig Sie sich bewegen. Nach dieser Analyse sollten Sie langsam Veränderungen einleiten, an denen sich Ihr Mann selbstverständlich beteiligt. Denn auch ein Normalgewichtiger kann von einem gesünderen Lebensstil nur profitieren.
Die positiven Auswirkungen werden Sie bei Ihrem Sohn vielleicht erst nach einiger Zeit bemerken. Das macht aber nichts: Übergewichtige Kinder, die noch wachsen, müssen meist nicht abnehmen. Ziel ist es viel eher, das Gewicht längere Zeit konstant zu halten. Dann werden die Kinder mit jedem Zentimeter Größenzuwachs schlanker.


Mit gutem Beispiel voran
Die Einbindung der gesamten Familie ist aus zwei Gründen unerlässlich: Zum einen lernen Kinder von Vorbildern. Geben diese ein schlechtes Beispiel ab, wird ein Kind gute Vorsätze kaum umsetzen. Warum sollte es sich an Regeln halten, die für andere offenbar nicht gelten? Etwa, mehr Obst essen, wenn Vater und Mutter weiterhin zu Chips greifen?
Zum anderen schaffen es Kinder mit Unterstützung der Eltern leichter, etwas zu verändern. Beispiel Bewegung: Dicke Kinder genieren sich oft vor Gleichaltrigen. Sie können nicht mithalten, fühlen sich plump oder fürchten Hänseleien. Mit Mama und Papa an der Seite sind sie unbeschwert. Fußballspielen oder Schwimmen kann so auch Sportmuffeln Spaß machen und ihren Ehrgeiz wecken, das Leistungsvermögen zu steigern.


Spaß am Kochen wecken
Ein entscheidender Schritt zum Normalgewicht ist die Umstellung der Ernährung: weniger Fett, weniger Zucker, mehr Obst und Gemüse. Wie sich das umsetzen lässt, erfahren Eltern und Kinder bei einer Ernährungsberatung. Ansprechpartner kann der Hausarzt nennen. Hilfreich ist auch gutes Informationsmaterial, das es an vielen Stellen kostenlos gibt (siehe „Tipps"; unten).
Mit Unterstützung Ihres Hausarztes lässt sich nach einer Untersuchung zudem festlegen, welche Gewichtsziele für Sie alle richtig und erreichbar sind. Als Familienarzt überblickt er die Lage wie kaum ein anderer Mediziner und kann eine erste gezielte Beratung anbieten.
In jedem Fall ist es wichtig, Fertigprodukte wie Tiefkühlpizza weitgehend aus der Küche zu verbannen. Stattdessen sollten Sie regelmäßig mit frischen Zutaten kochen und Ihren Sohn dabei mit einbeziehen, wann immer es geht. Planen Sie mit ihm zusammen, was Sie in den kommenden Tagen essen möchten, und erstellen Sie eine Zutatenliste. Gehen Sie gemeinsam einkaufen, und machen Sie ein Spiel daraus, den Einkaufswagen ausschließlich mit Lebensmitteln zu füllen, die auf dem Zettel stehen. Wieder zu Hause, lassen Sie den Jungen Zutaten schnippeln, mitkochen und den Tisch decken.

 

Genießen statt achtlos futtern
Gesundes Essen wird so zu einem positiven Erlebnis. Die Speisen erhalten wieder jenen hohen Stellenwert, der notwendig ist, um genussvoll, aber mit Maß zu essen. Achtloses Hineinschlingen ist ein wesentlicher Auslöser für Übergewicht bei Kindern. Eine Flasche Cola hier, ein Schokoriegel da: Im Nu kommen Kalorienmengen zusammen, die durch Bewegung nicht mehr zu verbrauchen sind. Verbote wie „Nie mehr Chips" oder „Für dich nur die Hälfte" fruchten dagegen nicht. Denn je weniger etwas erlaubt ist, desto interessanter wird es. Genauso unsinnig sind Diäten. Womöglich nimmt Ihr Sohn damit ab, doch mit den alten Gewohnheiten kehren die Kilos unweigerlich wieder. Beim gemeinsamen Planen und Kochen haben Eltern dagegen alle Chancen, ihr Kind dauerhaft auf einen kalorienarmen Geschmack zu bringen: Ein selbst gemachter Obstsalat wird als Dessert verlockender als ein Sahnepudding aus dem Becher. Leiten Sie Ihren Sohn an, ein Ess-Tagebuch zu führen.
Erfahrungsgemäß wird er das immer sorgfältiger erledigen, je mehr er sich für die Veränderungen begeistert. Ein weiterer Vorteil des gemeinsamen Kochens: Umstellungen lassen sich in kleinen Schritten einführen. Wählen Sie zum Beispiel öfter Gemüse als Beilage statt Pommes. Hat Ihr Sohn Vorbehalte, ermuntern Sie ihn, wenigstens zu kosten. Zwingen Sie ein Kind jedoch niemals, aufzuessen. Loben Sie Ihren Sohn, dass er es versucht hat, und animieren Sie ihn beim nächsten Mal wieder zum Probieren.

 

Essen ist kein Erziehungsmittel
Darüber hinaus sollten Sie Regeln festlegen, wann und wie die Familie isst. Dazu gehören zum Beispiel ein gedeckter Tisch und genügend Zeit, um bewusst zu essen und Sättigung zu spüren. Ein Nachschlag bleibt eine Ausnahme. Tabu ist es, vor dem Fernseher, beim Lesen oder vor dem Computer zu essen.
Halten Sie die Versuchung klein, und kaufen Sie nur die Menge an Süssigkeiten, die für eine Woche abgesprochen ist. Setzen Sie Essen auch nicht als Erziehungsmittel ein - etwa als Belohnung. Bieten Sie Ihrem Kind lieber ein schönes Erlebnis, zum Beispiel eine Stunde gemeinsames Spielen. Das eröffnet die Möglichkeit, den Nachwuchs auf angenehme Weise an mehr Bewegung heranzuführen.
Moppelige Kinder verbinden mit Aktivität oft nur Anstrengung und Frust. Übergewichtigen Eltern geht es manchmal nicht besser. Deshalb muss das erste Ziel nicht lauten, möglichst viele Kalorien zu verbrennen. Viel entscheidender ist es, die Abneigung gegen Bewegung zu überwinden und eine positive Einstellung zum eigenen Körper zu entwickeln. Fangen Sie klein an: Gehen Sie zu Fuß mit Ihrem Kind zum Einkaufen. Kicken Sie zusammen ein paar Bälle, oder spielen Sie Federball.

 

Auf Schulverpflegung und Pausensnacks achten
Legen Sie fest, wie viel Zeit der Nachwuchs täglich vor dem Fernseher oder Computer verbringen darf, und planen Sie zum Ausgleich mindestens ebenso viel Zeit für Bewegung ein. Schließlich ist es hilfreich, wenn sich Eltern dafür interessieren, was ihr Kind außer Haus verzehrt. Erhält es ein Essen in der Schule, könnten Sie über den Elternbeirat und die Schülervertretung darauf hinwirken, dass die Mensa ausgewogene Menüs anbietet.
Auch das Angebot am Pausenkiosk sollten Eltern im Auge behalten. Regen Sie die Schule dazu an, das Thema Ernährung als Bildungsinhalt zu betrachten und diesen praktisch zu vermitteln - am besten schon in der Grundschule. Möglichkeiten gibt es genug: seien es Kochgruppen oder Programme wie „Klasse 2000", bei dem schon eine halbe Million Grundschüler mitgemacht haben.

 

Tipps zum Nachlesen
-Broschüre „Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen - So finden Sie ein gutes Programm" von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; www.bzga.de
-„Elterninformation" der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter:
www.a-g-a.de-Projekt für Grundschulen: www.klasse2000.de

 

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin; Foto: W&B/Ronald Frommann

 

Druckversion
Übergewicht -Weg mit dem Kinderspeck.pdf
Adobe Acrobat Dokument 120.9 KB